· 

»Freuen. Weitermachen. Anpacken.«

Eine Andacht zum Prießnitzer Brandfest 2021.

Zum Anschauen, Hören, Lesen, Mitefeiern und Weitergeben.

»Freuen. Weitermachen. Anpacken.«

Andacht und Gedenkstunde zum Brandfest

am 16. Oktober 2021 auf dem Angstplatz in Prießnitz

 

Musik

 

Votum und Begrüßung

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes. Amen.

 

»Die Güte des Herrn ist’s, daß wir nicht gar aus sind.

Seine Barmherzigkeit hat noch kein Ende, und Deine Güte, Herr, ist groß.«

 (Klagelieder 3,22-23)

 

Ich grüße Euch herzlich zum Brandfest 2021.

Unsere Glocke hat geläutet – leise von hier zu hören –

und es ist dieselbe Glocke, die schon damals im Turm hing.

Die Kirche blieb ja Gott sei Dank verschont.

Die Kirche steht noch mitten im Dorf,

und morgen feiern wir dort Erntedankgottesdienst.

Und jetzt sind wir auf dem Platz,

mit dem wir so viel verbinden,

wo Eure Vorfahren, Eure Väter und Mütter,

Urväter und Urmütter gestanden haben –

wir kennen die Geschichte.

Und wir kennen die Geschichte,

wie dieses Dorf und seine Menschen

doch auf wundersame Weise aus Barmherzigkeit

und Wohlüberlegung der Menschen damals

gerettet worden sind.

»Brandfest« – was für ein Name!

Aber wir feiern ja nicht den Brand.

Sondern die Rettung. Gott sei Dank!

 

»Die Güte des Herrn ist’s,

daß wir nicht gar aus sind.

Seine Barmherzigkeit hat noch kein Ende,

und Deine Güte, Herr, ist groß.«

 

Daran denken wir heute

danken Gott, daß es so gegangen ist

und danken den Menschen

die damals dafür gesorgt haben,

daß dieses Dorf nicht ausgelöscht wird.

Und all den Menschen bis heute,

dieses Dorf lebendig und schön halten.

Dazu gebe uns Gott seinen Segen;

und auch jetzt zu diesem Gottesdienst

und dieser Gedenkstunde.

 

Lesung

Hört Worte aus dem Prediger Salomo

im Alten Testament im 12. Kapitel –

sie sind dann auch der Predigttext –

und ich glaube, sie passen ganz auch gut

zu diesem Tag und unserem Brandfest.

 

Der Prediger sprach:

Denk an deinen Schöpfer in deiner Jugend,

ehe die bösen Tage kommen und die Jahre nahen,

von denen du sagen wirst: »Sie gefallen mir nicht«; 

ehe die Sonne und das Licht,

der Mond und die Sterne finster werden

und die Wolken wiederkommen nach dem Regen, –

zur Zeit, wenn die Hüter des Hauses zittern

und die Starken sich krümmen

und müßig stehen die Müllerinnen,

weil es so wenige geworden sind,

und wenn finster werden, die durch die Fenster sehen,

wenn die Türen an der Gasse sich schließen,

und die Stimme der Mühle leise wird

und sie sich hebt, wie wenn ein Vogel singt,

und alle Töchter des Gesanges sich neigen;

wenn man vor Höhen sich fürchtet

und sich ängstigt auf dem Wege,

wenn der Mandelbaum blüht

und die Heuschrecke sich belädt

und die Kaper aufbricht;

denn der Mensch fährt dahin, wo er ewig bleibt,

und die Klageleute gehen umher auf der Gasse; –

ehe der silberne Strick zerreißt

und die goldene Schale zerbricht

und der Eimer zerschellt an der Quelle

und das Rad zerbrochen in den Brunnen fällt.

Denn der Staub muss wieder zur Erde kommen,

wo er gewesen ist,

und der Geist wieder zu Gott,

der ihn gegeben hat.

Es ist alles ganz eitel, sprach der Prediger, ganz eitel.

Darum freue dich der Welt in deiner Jugend.

Amen.

 

Musik

 

Gedanken zum Tag

 

Die Gnade unsers Herrn Jesus Herrn Jesus Christus

und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft

des Heiligen Geistes sei mit euch allen!

 

I. Verarbeiten        

Ich steh in der Küche.

Diese Woche. Ein paar Stunden lang.

Die Küchenmaschine kreischt –

sie ist ja auch vierzig Jahre alt, aber sie geht.

Ein durchdringender Ton,

jedesmal, wenn ich ein Stück Apfel hineinpresse.

Unten läuft der Saft raus.

Ein Liter Saft von anderthalb Kilo Äpfeln.

Das ist eine Ausbeute.

Die Äpfel habe ich vorher kleingeschnitten –

so, daß sie in diesen Schacht passen,

da wo die Küchenmaschine alles verschlingt.

Kiloweise.

Dann hab ich es geschafft.

Dreißig Liter. Die werden jetzt Wein.

Und hoffentlich wird er gut.

Ich freu mich drauf.

 

II. Fürchten

Und wir feiern Brandfest in Prießnitz.

Damals, vor zweihundertfünfzehn Jahren,

hat unser Dorf gebrannt.

Und es hat uns unverschuldet getroffen.

Ja, es war Krieg.

Aber für dieses Ereignis konnte

kein Prießnitzer und keine Prießnitzerin etwas.

Es hat lange gedauert,

bis die Verantwortlichen das eingesehen haben.

Wir kennen die Geschichte alle ausführlich,

wir können sie alle erzählen,

und es ist schön, daß Herr Schütze

uns das alles nachher noch einmal vor Augen führen wird:

Die Angst. Die Not. Dir Flammen. Die Tränen.

Frost unter den nackten Füßen.

Die Menschen zusammengetrieben am Dorfrand –

genau da, wo wir jetzt stehen und sitzen.

Klagen. Weinen. Angst.

Letzte Umarmungen unter den Familien.

Deshalb heißt ja diesen Platz ja so –

Angstplatz – bis auf den heutigen Tag.

So viel ist damals kaputtgegangen.

 

III. Aufgeben

Und ich stehe am Küchentisch

und drücke die Äpfel in die Maschine.

Wißt Ihr: In manchen Jahren war ich blöd.

Da hing der Garten auch voll Äpfel.

 

Ich habe mich so an den Äpfeln gefreut.

Im Frühjahr an der Blüte.

Im Sommer an der Reife.

Und dann ist es Herbst geworden.

 

Da war ich dann war ich traurig.

Und ich habe den Mut verloren.

Es war viel zu tun, wir immer im Herbst,

und zu wenig Kraft war da.

Ich habe den alten Zeiten nachgetrauert.

Den Frühlingsblüten und den Sommerfrüchten.

Und dachte: »Ach, war das damals schön«.

 

Und dabei bin ich hängengeblieben.

Und die Äpfel auch.

Ich habe vielleicht ein paar Äpfel geerntet.

Vielleicht ein paar Apfeltaschen gebacken,

und meine Frau hat zehn Gläser Apfelmus gemacht.

Mehr war’s nicht.

 

Und das war blöd.

Ich hab’ dem Alten nachgetrauert.

Hab ihm nachgehangen.

Und mich nicht um das Neue gekümmert.

Ich hab’ einfach nicht weitergemacht.

 

Der Rest meiner Äpfel ist vergammelt.

Verfault. Runtergefallen.

Was am Baum war, haben die Amseln gefressen,

es sei ihnen gegönnt,

und was unten lag,

das war für die Mäuse und Würmer.

 

IV. Vergehen

Vorhin haben wir Worte

aus dem Buch des Predigers gehört,

diesem wundervollen, poetischen Buch im Alten Testament.

 

Worte voll Kraft. Worte voll Weisheit.

 

»Denk an Gott, solange es schön ist,

solange du jung bist.

Es kommen auch Tage, die sind nicht schön.

Da wirst Du sagen: Die gefallen wir nicht.

Da wird alles anders.

Da merkst Du, wie alles zu Ende geht.

 

Alles geht mal zu Ende.

 

Die Starken werden mal schwach.

Die Gesänge verstummen.

Wer arbeiten kann, geht in Rente.

Ist nicht mehr gefragt.

Der Sommer geht und die Tage schwinden

und dann kommt der Frost.

Die Blüte bricht auf. Und dann reift sie und verwelkt.

Du warst mal jung und glücklich –

und jetzt wirst Du langsam einsam,

weil alle anderen gehen.

Und die alten Zeiten – ja, die –

die alten Zeiten waren schon ganz gut.

Und nun sind sie weg.

 

Ja, so ist das auf der Welt.«

 

So predigt und singt der Prediger Salomo.

 

V. Fühlen

Wie mögen die Prießnitzerinnen und Prießnitzer

damals gedacht haben,

an jenem denkwürdige 16. Oktober 1806?

Damals, als man sie aus dem Dorf getrieben hat –

früh am Morgen,

im Nachthemd, ohne Schuhe,

hinaus in den Frost?

Als das Feuer drüben im Dorf brauste,

der schwarze Rauch turmhoch zum Himmel stieg –

und als einer dann den Befehl der Franzosen vorlas: …

»Ihr seid alle mit dem Tode gestraft …«?

 

VI. Selbermachen

Und ich steh an meiner Küchenmaschine und reibe Äpfel.

Dies Jahr hab’ ich’s anders gemacht.

 

Ich hab’ mich den Sommer über gefreut.

Wie die Äpfel wachsen.

Und ich hab’ mir vorgenommen:

Dieses Jahr erntest du sie alle.

 

Und ja, auch dieses Jahr war eigentlich keine Zeit.

Und es hat Kraft gekostet.

und ich hab’ mancher alten Zeit nachgetrauert –

manchmal hab’ ich zum Beispiel gedacht:

Ach, wenn doch die Kinder noch im Haus wären.

Sie haben immer mit geholfen – oder mußten es –

aber dann hab’ ich gedacht: »Nein! So nicht!«

 

»Freu dich an deinem Schöpfer in deiner Jugend …«,

sagt der Prediger.

Und nicht nur in Deiner Jugend:

»Freu Dich an Deinem Schöpfer jeden Tag.

Freu Dich an allem Schönen, was er Dir gibt.

Mach das nicht nur in Deiner Jugend,

wo es alles leicht und schön ist.

Mach das Dein Leben lang.

Jugend, was ist das schon.

Man ist so jung – und so alt, wie man sich fühlt.

 

Und da hab ich was gemerkt:

Wenn ich was haben will:

Zum Freuen, für die Zukunft,

etwas, damit es weitergeht:

Dann muß ich es auch selber machen.

 

VII. Aufbauen        

Die Prießnitzer haben das auch so gemacht

vor zweihundertfünfzehn Jahren.

 

Sie waren gerettet – Gott sei Dank.

Nur wenige zu Tode gekommen.

‚Nur’ – in Anführungststrichen –

das halbe Dorf verbrannt.

Die »sieben Jünglinge«

aus Barmherzigkeit davongekommen.

 

Und dann haben die Prießnitzer es richtig gemacht.

Sie haben nicht geklagt und lamentiert.

Sie haben angepackt.

Sie haben Gott gedankt für das, was sie noch hatten:

Das nackte Leben.

Und das tun wir bis auf den heutigen Tag.

Seitdem ist immer Brandfest.

 

Sie haben nicht aufgegeben.

Sie haben Prießnitz wieder aufgebaut.

Sie haben nicht nur zurückgeschaut,

sondern nach vorn.

Sonst wären wir heute nicht hier.

 

Sie haben nicht gesagt:

»Ach, wie schlimm ist das jetzt alles,

und ach, wie schön war es früher«.

Sie haben auch nicht gesagt:

»Da sollen doch mal andere kommen.

Und was ist das für ein Staat, der das alles zuläßt«.

Sie haben nicht gemeckert und lamentiert

und gesagt: »Was sollen wir denn schon machen«?

Sie haben auch nicht

auf die noch Schwächeren eingeschlagen.

So wäre das nie was geworden.

 

Sie haben es anders gemacht.

Sie haben gemeinsam angepackt.

Und da haben ihnen viele ihnen geholfen.

Und Gott auch.

 

Und nun steht Prießnitz wieder da.

 

VIII. Weitermachen

Und ich steh am Küchentisch und reibe Äpfel.

Und ich denk’ an Euch,

Euch Prießnitzerinnen und Prießnitzer.

Ich denke an das, was war.

Und an ich denke das , was vergeht.

Alles vergeht einmal.

Womöglich Prießnitz eines Tages auch wieder einmal,

möge dieser Tag sehr, sehr fern sein.

 

Aber ich will nicht aufhören.

Ich will mich freuen an allem, was ich habe.

Ja, ich weiß, das vergeht auch alles einmal.

und wenn ich nicht aufpasse,

und wenn ich nicht aufpasse,

vergammeln mir auch nächstes Jahr

die Äpfel wieder am Baum.

Aber dieses Jahr nicht.

Dieses Jahr hab ich angepackt.

 

IX. Anpacken         

Und ich sag Euch etwas:

Freut Euch an dem, was ist.

Und macht was draus aus dem, was ist.

Klagt nicht, daß alles alt wird.

Und wartet nicht drauf, daß es die anderen machen.

 

Und macht das alles, bevor es zu spät ist.

Denn einmal gehen ja auch wir.

 

Und dann haben wir ein Leben gelebt.

Entweder haben wir angepackt.

Oder auf die anderen gewartet

oder auf bessere Zeiten oder sonst was.

Und nur genölt und gemeckert über dies und das,

worüber die Leute so nölen und meckern.

 

Alles vergeht. Auch alle diese Dinge.

 

Aber es gibt eben auch das Andere:

Diese schönen Äpfel im Garten:

Dieses Jahr hab’ ich’s geschafft

und sie durch die Küchenmaschine gejagt.

Und ich freu mich auf den schönen Wein

in ein paar Wochen.

 

Darauf schaue ich.

Und auf das andere Schöne,

was jeden Tag alles gibt.

 

Und dann packe ich an.

Und Gott hilft mir, daß es schön wird.

Und schön bleibt.

Und ich weiß eines: Euch hilft er auch.

Amen.

 

Der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft,

bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus.

Amen.                          

 

Brandfestlied – EG 326,1.3.4;

1. Sei Lob und Ehr dem höchsten Gut,

dem Vater aller Güte,
dem Gott,

der alle Wunder tut, dem Gott, der mein Gemüte

mit seinem reichen Trost erfüllt,

dem Gott, der allen Jammer stillt.

Gebt unserm Gott die Ehre! 

3. Was unser Gott geschaffen hat,

das will er auch erhalten,


darüber will er früh und spat

mit seiner Güte walten.

In seinem ganzen Königreich

ist alles recht, ist alles gleich.

Gebt unserm Gott die Ehre!

4. Ich rief zum Herrn in meiner Not:

»Ach Gott, vernimm mein Schreien!«

Da half mein Helfer mir vom Tod

und ließ mir Trost gedeihen.

Drum dank, ach Gott, drum dank ich dir;

ach danket, danket Gott mit mir!


Gebt unserm Gott die Ehre!

 

Ansprache des Bürgermeisters

 

Gebet

O Herr,

mache mich zu einem Werkzeug deines Friedens,


daß ich Liebe übe, wo man sich haßt;


daß ich verzeihe, wo man sich beleidigt;


daß ich verbinde, da wo Streit ist;


daß ich die Wahrheit sage, wo der Irrtum herrscht;


daß ich Glauben bringe, wo der Zweifel drückt;


daß ich die Hoffnung wecke, wo Verzweiflung quält;


daß ich ein Licht anzünde, wo die Finsternis regiert;


daß ich Freude bringe, wo der Kummer wohnt.


 

O Herr, laß du mich trachten:


Nicht, daß ich getröstet werde, sondern daß ich tröste;


nicht, daß ich verstanden werde, sondern daß ich verstehe;


nicht, daß ich geliebt werde, sondern daß ich liebe.


 

Denn wer da hingibt, der empfängt;


wer sich selbst vergißt, der findet;


wer verzeiht, dem wird verziehen,


und wer da stirbt, der erwacht zum ewigen Leben.

Amen.

 

Vaterunser

Gemeinsam beten wir mit den Worten Jesu:

Vater unser im Himmel.

Geheiligt werde dein Name.

Dein Reich komme.

Dein Wille geschehe wie im Himmel so auf Erden.

Unser tägliches Brot gib uns heute

und vergib uns unsere Schuld

wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.

Und führe uns nicht in Versuchung,

sondern erlöse uns von dem Bösen.

Denn Dein ist das Reich und die Kraft

und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.

 

Sendungswort und Segen

Und nun geht und bleibt bewahrt

in Gottes Frieden, in Gottes Liebe, mit seinem Segen.

 

Der Herr segne dich und behüte dich.

Der Herr lasse sein Angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig.

Der Herr erhebe sein Angesicht auf dich und gebe dir + Frieden.

Amen.

 

Musik

Kommentar schreiben

Kommentare: 0