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»Zerrbilder«

Ein Gottesdienst zum Reformationstag aus Heiligenkreuz für die Onlinekirche Camburg. Zum Schauen, Hören, Lesen, Mitfeiern und Weitergeben.

»Zerrbilder«

Ein Gottesdienst zum Reformationstag aus Heiligenkreuz

am 31. Oktober 2020 für die Onlinekirche Camburg

 

 

Geläut der Heiligenkreuzer Glocke

 

Votum und  Begrüßung

Im Namen des Vaters und des Sohnes

und des heiligen Geistes. Amen

 

       Seid willkommen zu unserem Onlinegottesdienst am Reformationstag.

 

       Musik (»Einen anderen Grund kann niemand legen« – Albert Becker) Aufnahme von 2016

       Einen anderen Grund kann niemand legen,

       außer dem, der gelegt ist: Jesus Christus.

 

       Gedenket an eure Lehrer,

       die euch das Wort Gottes gesagt haben,

       welcher Ende schauet an und folget ihrem Glauben nach.

 

       Jesus Christus, gestern und heute

       und derselbe auch in Ewigkeit.
    
  Amen.

 

»Einen anderen Grund kann niemand legen

als den, der gelegt ist, welcher ist Jesus Christus.«

(1. Korinther 3,11)

 

Reformationstag 2020.

Alles völlig anders als sonst.

Aber gerade so können wir uns mal konzentrieren.

Auf das, worauf es ankommt.

Auf den, auf den es ankommt:

 

»Einen anderen Grund kann niemand legen

als den, der gelegt ist, welcher ist Jesus Christus.«

 

Psalmgebet – aus Psalm 46

Laßt uns beten mit Worten aus dem 46. Psalm.

 

Antiphon:

»Einen anderen Grund kann niemand legen

als den, der gelegt ist, welcher ist Jesus Christus.«

 

Psalm:

Gott ist unsre Zuversicht und Stärke,

eine Hilfe in den großen Nöten, die uns getroffen haben.

Darum fürchten wir uns nicht,

wenngleich die Welt unterginge

und die Berge mitten ins Meer sänken,

wenngleich das Meer wütete und wallte

und von seinem Ungestüm die Berge einfielen.

Dennoch soll die Stadt Gottes

fein lustig bleiben mit ihren Brünnlein,

da die heiligen Wohnungen des Höchsten sind.

Gott ist bei ihr drinnen, darum wird sie fest bleiben;

Gott hilft ihr früh am Morgen.

Der HERR Zebaoth ist mit uns,

der Gott Jakobs ist unser Schutz.

 

Antiphon:

»Einen anderen Grund kann niemand legen

als den, der gelegt ist, welcher ist Jesus Christus.«

 

Ehre sei dem Vater und dem Sohn und dem heiligen Geist,

wie es war im Anfang, jetzt und immerdar

und von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.

 

Predigt

 

Die Gnade unsers Herrn Jesus Christus

und die Liebe Gottes

und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes

sei mit euch allen.

Amen.

 

I. Vor dem Lutherbild

Heute schicken wir Euch den Onlinegottesdienst

aus Heiligenkreuz.

Einfach, weil hier so ein schönes Lutherfenster ist.

 

Da sitze ich nun. Vor Seinem Fenster.

Martin Luther.

Irgendwie bringt man das ja immer zusammen.

Untrennbar.

Reformation. Und Luther.

Da kann er sich gar nicht mehr wehren.

Hätte er sicher nicht so gewollt.

Ist aber so.

 

Selbst als das große Reformationsjubiläum war

vor drei Jahren –

die Kirchen waren voll, wie sonst zu Weihnachten –

und das war schön – trotzdem:

Es war ein Lutherevent.

Hätte er nicht so gewollt.

War aber so.

 

II. Zerrbilder

Und da sitze ich nun vor seinem Fenster.

In Heiligenkreuz.

Das ist noch ein freundliches Fenster.

Da sieht er sympathisch aus, der Reformator.

So sanft. Und ein Denker.

Ein bisschen alt und ein bisschen weise.

 

Ich kenne da andere Bilder.

Denkmale in Bronze gegossen.

Mit diesem heroischen Luther.

Die Hand auf der Schrift.

Harte Gesichtszüge. Heldenhaft.

Das war er nicht.

Wollte er nie sein.

Und er wollte schon gar nicht,

daß sich mal eine Kirche nach ihm nennt.

»Lutherische Kirche«.

Er hat gesagt:

»Ich bin doch für niemanden gestorben, sondern Christus.

Christliche Kirche muß man es nennen.«

Trotzdem.

Ich bin gerne Pfarrer in einer lutherischen Kirche.

Und, wie man so sagt, „Lutheraner“.

 

Ich sitze vor seinem Bild.

Und dann habe ich noch andere Bilder vor Augen.

In meinem Regal steht ein altes Buch.

»Luther-Volksbuch« – aus den dreißiger Jahren.

Da ist ein Luther drauf, der sieht ganz schrecklich aus.

Ein richtiges Gruselbildchen.

Wie aus einem Starwars-Comic.

Ich muß das mal wegschmeißen.

 

Wißt Ihr – diese Lutherbilder

sind eigentlich alles Zerrbilder.

 

Da seh ich nicht den Menschen, der er war.

Da seh ich das, was Menschen aus ihm gemacht haben.

Diesen »Helden«. Diesen »Kämpfer gegen Rom«.

Diesen »Protrotyp des Deutschen«.

Alles Unsinn.

 

Als Luther gestorben war, 1546,

da hat man in der Marktkirche in Halle

an die Empore geschrieben:

»Martinus Lutherus, Propheta Germaniae« –

auf Deutsch: »Martin Luther, der deutsche Prophet«.

Und bei seiner Grabrede in Wittenberg,

da hat Philipp Melanchthon gesagt:

»Der Wagenlenker Israels ist gestorben« –

und er hat ihn mit dem Propheten Elia verglichen.

 

Alles Unsinn.

 

In den letzten Zeiten dann:

Reformationsjubiläum 2017, das »Lutherevent«.

Das war ja auch eine Zeit

der kritischen Auseinandersetzung.

Gut so.

Da kamen auch die Schattenseiten Luthers ans Licht.

Und manche meiner Freundinnen und Freunde sagen:

»Mit Luther kann ich sowieso nichts anfangen.

Der war Antisemit. Und voll patriarchalisch.

Und sowieso.«

Stimmt alles.

 

Aber auch das sind Zerrbilder.

Und deshalb – für sich allein – auch Unsinn.

 

III. Ich zeig Euch meinen Luther

Reformation und Luther –

man kriegt es einfach nicht auseinander.

 

Nun denn.

 

Dann laß’ ich mich heute drauf ein.

 

Ich will euch meinen Luther zeigen.

 

Klar, das ist mein Bild und meine Sicht.

Und vielleicht auch ein Zerrbild.

Ich sag’s Euch trotzdem.

 

Ich seh’ zuerst den Menschen.

 

Ich seh’ diesen Menschen in seiner Angst.

Von Kind auf hat man ihm eingebläut:

»Gott sieht alles.

Gott weiß alles.

Gott wird Dich dafür strafen.«

 

»Angst essen Seele auf«, gab es mal einen Film.

Und das stimmt.

Diese kleine Lutherseele,

sie war von der Angst völlig aufgefressen.

 

Bis zu einem Tag.

Inzwischen war der kleine Luther

ein großer Luther geworden.

War Erwachsen und Professor in Wittenberg.

Und er hat gegrübelt und gekämpft.

Am Schreibtisch. Mit seinen Studenten.

Den ganzen Tag.

 

Neben seinem Studierstübchen war die Latrine.

Später hat er dann gesagt: »Da hatte ich die Idee

Da bin ich drauf gekommen.

Ich saß da und grübelte. Und dann kam es.

Da hab’ ich’s verstanden.

Und als ich das verstanden hatte, da war es,

als hätten sich die Tore des Paradieses für mich geöffnet.«

 

Da sitzt er, der Martin Luther.

Der Mensch in seiner Angst.

Und plötzlich ist die Angst weg.

 

Es ist, wie es vorher war:

»Gott kennt mich. Gott weiß alles. Gott sieht mich.«

Ja. Aber er sieht gütig auf mich.


Das hat er damals verstanden.

Und so will ich das auch verstehen.

 

Wenn ich »Reformation« und »Luther«

und all das in einen Satz fassen soll,

dann sage ich: »Ich weiß, ich habe einen guten Gott.«

 

Das hab ich von Martin Luther gelernt.

Von dem mit den vielen Zerrbildern.

Mit seinen Fehlern und großartigen Seiten.

Mit seinem Menschsein,

wie ich ein Mensch bin und wie ihr Menschen seid.

 

»Ich habe einen guten Gott.« Das genügt.

Und das ist bestimmt kein Zerrbild.

Amen.

 

Der Friede Gottes,  

der höher ist, als alle Vernunft,

bewahre eure Herzen und Sinne

in Christus Jesus.

Amen.

 

Musik (»Ein feste Burg ist unser Gott« – Choralbearbeitung von Johann Nicolaus Hanff

                     Zu EG 362, Melodie und Text: Martin Luther)

 

Ein feste Burg ist unser Gott,

ein gute Wehr und Waffen.

Er hilft uns frei aus aller Not,

die uns jetzt hat betroffen.

Der alt böse Feind

mit Ernst er's jetzt meint;

groß Macht und viel List

sein grausam Rüstung ist,

auf Erd ist nicht seinsgleichen.

 

Gebet

Laßt uns beten.

Guter, großer Gott,

halte uns fest bei Deinem lebendigen Wort,

daß unser Glaube davon stark werde

und daß wir es mit Taten der Liebe bezeugen.

Durch Jesus Christus, unseren Herrn. Amen.

 

Vaterunser

Gemeinsam beten wir:

Vater unser im Himmel.

Geheiligt werde dein Name.

Dein Reich komme.

Dein Wille geschehe wie im Himmel so auf Erden.

Unser tägliches Brot gib uns heute

und vergib uns unsere Schuld

wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.

Und führe uns nicht in Versuchung,

sondern erlöse uns von dem Bösen.

Denn Dein ist das Reich und die Kraft

und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.

 

Sendungswort und Segen

So bleibt bewahrt in Gottes Frieden, in Gottes Liebe, mit seinem Segen.

 

Der Herr segne dich und behüte dich.

Der Herr lasse sein Angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig.

Der Herr erhebe sein Angesicht auf dich und gebe dir + Frieden.

Amen.

 

Musik (»Ein feste Burg ist unser Gott« – EG 362 – Choralbearbeitung von Max Reger)

 

Mit unsrer Macht ist nichts getan,

wir sind gar bald verloren;

es streit' für uns der rechte Mann,

den Gott hat selbst erkoren.

Fragst du, wer der ist?

Er heißt Jesus Christ,

der Herr Zebaoth,

und ist kein andrer Gott,

das Feld muß er behalten.

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