Ein Gottesdienst vom 2. »Camburger Playing-Arts-Atelier« auf der Cyriaksruine.
Mit Heiligem Und ganz viel Vielfalt.
Zum Anschauen, Hören, Lesen, Weitergeben und Mitfeiern.
»Das mit dem Heiligen«
Ein Gottesdienst von der Cyriaksruine.
Mit Teilnehmenden des 2. Camburger Playing-Arts-Atelier am 1.8.2021
Votum und Andacht
Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.
Gutes und Barmherzigkeit werden mir folgen mein Leben lang
und ich werde bleiben im Hause des Herrn immerdar.
(Psalm 23,6)
Seid willkommen zu unserem Online-Gottesdienst.
Wieder einmal von der Cyriaksruine.
Von diesem besonderen, heiligen Ort.
Und er ist in dieser Woche ganz lebendig.
Ein ganz lebendiger heiliger Ort.
Leute aus dem ganzen Land sind zusammengekommen und erkunden diesen Ort.
Machen Kunst.
Machen Spiel.
Und erschließen sich so vielleicht auch etwas Heiliges.
Einige von ihnen werden in diesem Gottesdienst erzählen,
was sie hier erleben, was sie fühlen,
wie es ihnen hier geht.
Psalmgebet
Laßt uns beten mit Worten aus dem 84. Psalm:
Wie lieblich sind deine Wohnungen, HERR Zebaoth!
Meine Seele verlangt und sehnt sich nach den Vorhöfen des HERRN;
mein Leib und Seele freuen sich in dem lebendigen Gott.
Der Vogel hat ein Haus gefunden und die Schwalbe ein Nest für ihre Jungen –
deine Altäre, HERR Zebaoth, mein König und mein Gott.
Wohl denen, die in deinem Hause leben; die loben dich immerdar.
Ehre sei dem Vater und dem Sohn und dem Heiligen Geist,
wie es war im Anfang, jetzt und immerdar und von Ewigkeit zu Ewigkeit.
Amen.
Menschen erzählen »Vom Heiligen«
Wiebke aus Wiesbaden
Ja, was mir heilig ist, das steht zwischen den Zeilen immer. Es ist nie das Direkte.
Es ist eher das, was sich mir ergibt in einem Hauch,
in einer Zuwendung, in einem Blick, in der Natur,
in einem Flügelschlag.
Es sind diese Mauern, die mich halten.
Ebenso wie mich das hält, was an mir vorbeizieht.
Und wie ein Lachen eines Kindes,
was mich einfach zutiefst beglückt
und auch traurig werden läßt, weil das,
was heilig ist in einem Lachen,
sich eigentlich nicht mit Worten sagen läßt.
Also – heilig – das sind wir irgendwie doch alle in dem,
wie wir sind, wenn wir uns einander zuwenden.
Thomas aus Marburg
Also zunächst mal glaube ich,
es ist wie ein scheues Reh, das Heilige.
Ich kann auch sagen, es ist, wie Hilde Domin sagt,
ein Vogel, dem man die Hand hinhält.
Und man muß ganz vorsichtig sein.
Wenn man zupackt, ist der Vogel weg.
Und wenn man nicht die Hand offen hinhält,
dann kommt er nicht her.
Also es ist eine Geduldsprobe, das Heilige.
Es ist nur da, die Erfahrung macht man nur,
wenn man selber dran beteiligt ist.
Es ist nicht einfach objektiv ohne den Menschen,
der die Erfahrung macht,
sondern es ist ein Zusammenspiel
zwischen meiner Bereitschaft es zu erleben
und der Anwesenheit der Realität
dieser atmosphärischen Qualität,
die in manchen Räumen besonders dicht,
in anderen weniger dicht ist.
Aber es kann auch in ganz alltäglichen Dingen passieren,
daß mich dieses Heilige anspringt regelrecht,
mich berührt, wenn ich dafür meine Sinne
und meinen Geist öffne.
Was es dann tut, ist eine Art von Entführung
aus dem Alltag in die Wirklichkeit,
in der ich das Gefühl haben kann,
so müßte es am Ende aller Zeiten sein für uns alle,
für jeden Menschen.
Ein Zustand des Friedens, der Gerechtigkeit,
der Zuneigung, aber durchaus auch der Konflikte.
Nur, wir haben, wenn das Heilige uns umgibt,
unendlich viel Zeit, diese Konflikte
in Ruhe und argumentativ miteinander auszuhalten.
Insofern ist es eine momenthafte Erfahrung der Beglückung,
die unter der Bedingung der Zeit,
in der wir leben, nicht dauernd ist.
Nur ab und zu.
Und eine besonders intensive Erfahrung des Heiligen
machen die Menschen in der Regel in der Musik.
Nicht in jeder Musik, aber sehr oft in der Musik
von Johann Sebastian Bach, Heinrich Schütz, Mendelssohn,
manchmal auch in moderner Musik,
zum Beispiel bei John Cage dem Stück 4 Minuten 30,
wo eigentlich gar nichts anderes passiert als eine dreisätzige Stille
von einer ganz intensiven Qualität,
in der das Heilige ebenfalls in Abwesenheit
von irgend einer Gestaltung,
sondern nur als reine Leere sich präsentiert.
Sebastian aus Braunschweig
Am heiligen Orten mach ich mich immer wieder
gern auf die Suche, wo ist mein Platz,
wo fühle ich mich wohl, wo fühle ich mich geborgen.
Und als ich mir heute morgen den Ort
so angeschaut hab,
bin ich auf die Seitennische hier gekommen in Sichtweite zum Altar
und hab hier am Boden meinen Umriß gezeichnet
und dann belegt und dann im Lauf des Tages
dem Martyrium vom heiligen Sebastian
auf die Spur gegangen,
der mit Pfeilen beschossen worden ist
um seines Glaubens willen.
Und das ist was,
was mich an solchen Orten irgendwie bewegt.
Mich selber und Geschichte, Erfahrungen anderer
miteinander ins Gespräch oder ins Spiel zu bringen.
Annegret aus Gelnhausen
Gesten des Heiligen
Thomas aus Hamburg
Also mein heiliger Ort, der ist hier unterm Brustbein.
Also wenn ich mich verbunden fühle, dann hier.
Und zwar mit dem ganzen Gefühl.
Also es konzentriert sich hier.
Und dabei wird mir immer klarer, daß alles,
was wir haben, Gottes Gefühle oder
gefühlt Liebe zu anderen Leuten
oder wenn sie einen heiligen Ort besuchen,
daß wir das alles nur an unserem Körper
haben und nirgendwo anders.
Wir haben ja keine Gefühle da draußen,
sondern wir haben sie nur hier.
Und mit unseren Nervenbahnen.
Und ich hab's besonders hier.
Aber ich spür‘s natürlich auch hier und überall.
Und deshalb ist mein Körper der heiligste Ort
oder eigentlich der einzige Ort,
wo man überhaupt irgendwas erleben kann.
Es gibt gar keinen Ort außerhalb meines Körpers,
wo ich etwas erleben könnte.
Auch was an Optik in mich rein kommt,
kommt über meine Augen in mich.
Und wenn ich keine Augen hätte,
würde ich’s nicht sehen.
Das ist der eine heilige Ort.
Und der andere heilige Ort ist die Grenze.
Deshalb steh ich hier so,
weil das so durchlässig ist hier – diese Ruine.
Man kann hier durch die Wände gehen gewissermaßen und ich glaube,
daß die wirklichen großen heiligen Sachen
passieren auf dem Übergang von einem ins andere.
Also bei der Geburt eines Kindes.
Beim Tod.
Wenn das Licht aufgeht am Morgen,
dann weiß man was Licht ist.
Wenn es scheint den ganzen Tag, merkt man’s nicht.
Wenn es untergeht, dann weiß man, was es ist.
Und wenn die Luft knapp wird, dann weiß man,
was Luft ist, wenn man sie nur atmet,
dann nimmt mans gar nicht wahr.
Also auf den Übergängen,
wenn ich zwischen Räumen hin und her gehe,
da ist Heiliges geschehen.
Das glaube ich.
Angelika aus Hamburg
Als ich ein Kind war, hab ich mich oft gefragt,
wo der Regenbogen beginnt,
wenn ich einen Regenbogen gesehen hab
und hab überlegt, ob man eigentlich an das Ende,
an den Fuß von dem Regenbogen kommen kann.
Gestern fuhr ich durch Starkregen,
sah einen Regenbogen
und der Regenbogen endete unter meinem Auto.
Ich fuhr über den Fuß von dem Regenbogen.
Und das war für mich ein heiliger Moment.
Heilig sind für mich überhaupt
in der Regel Naturphänomene.
Die haben etwas überraschendes, etwas unerwartetes
und sie setzen in mir ein Staunen in Gang.
Sie sind größer als ich selber.
Sie sind manchmal physikalisch erklärbar,
aber darum geht's nicht, es geht um Intuition
und wie sie mich in dem Moment erfassen,
erwischen, wie ich davon erfüllt werde.
Und dann spüre ich,: Ja hier, das ist jetzt gerade heilig.
Sebastian aus Wernau
Ich glaube nicht, daß es Orte gibt,
die heiliger sind als andere.
Ich glaube –
also im Prinzip ist es ja der Gag des Christentums –
daß Gott überall ist und damit alles heilig ist.
Und wenn er selbst in der Krippe auf die Welt kommt
irgendwo zwischen Ochse und Esel,
dann gibt es keinen Ort,
der weniger heilig wäre als andere.
Ich glaube aber, daß es Orte gibt,
an denen Menschen sich leichter tun,
das Heilige zu verstehen
oder sich drauf einzulassen.
Und diese Ruine ist so ein Ort, weil sie sagt,
daß auch das Kaputtgehen und das Zerfallen
was Heiliges hat.
Daß wir auch keine Angst haben müssen
beim Sterben und beim Altern
oder beim verletzt werden,
weil auch das was Heiliges ist.
Vaterunser
Laßt uns beten mit den Worten Jesu:
Vater unser im Himmel.
Geheiligt werde dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe wie im Himmel so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute
und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn Dein ist das Reich und die Kraft
und die Herrlichkeit in Ewigkeit.
Amen.
Segen
So bleibt bewahrt in Gottes Frieden, in Gottes Liebe, mit seinem Segen.
Es segne und behüte euch Gott, der allmächtige und barmherzige,
der Vater, der Sohn + und der Heilige Geist.
Amen.
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