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»Zwei Gleise. Ein Geist« Predigt im ökumenischen Gottesdienst am Pfingstmontag, 29.5.2023

Jedes Jahr zum Pfingstmontag feiern wir ökumenischen Gottesdienst.

Dieses Jahr in der katholischen Kirche Camburg – festlich mit dem Gospelchor.
Viele wollten die Predigt gern nochmal lesen. Das könnt Ihr hier tun.
Pfingstsegen Euch allen!

»Zwei Gleise. Ein Geist«

Eine Predigt zu Pfingsten 2023

im ökumenischen Gottesdienst am Pfingstmontag

 

Die Gnade unsern Herrn Jesus Christus

und die Liebe Gottes

und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes

sei mit euch allen. Amen.

 

 

I. Eisenbahnstadt 

Camburg war immer eine Eisenbahnstadt.

Jedenfalls solange es die Eisenbahn gibt.

Damals haben sie die Stadt sogar gewaltig umgebaut –

den großen Einschnitt haben sie gegraben

beim Stellwerkshäuschen,

Straßen verlegt und angelegt,

das prägt bis heute unsere Stadt,

und die Seite, wo wir jetzt sind,

die ist komplett sogar nach der Eisenbahn entstanden.

Einen großen Bahnhof haben sie gebaut,

mit Bahnsteigen und Lokschuppen,

Empfangsgebäude mit Bahnhofsrestaurant,

und einst gab es sogar noch die andere Strecke,

über Crauschwitz und Molau nach Zeitz.

 

Der Camburger Bahnhof

war legendär bei Eisenbahnfreunden –

und ich bin einer –

vor allem die berühmte Signalbrücke

am Bahnsteigende Richtung Jena beim großen Stellwerk.

Viele, viele von den älteren Camburger*innen

haben dort Arbeit und Gemeinschaft gefunden.

Der Bahnhof, das war was.

 

Vor allem, weil hier alle Züge halten mußten.

Denn die Russen hatten nach dem Krieg

die Oberleitung abgebaut und nach Rußland gebracht …

blöd nur, daß sie die Masten

in Brusthöhe abgeschweißt haben …

da waren sie dann in Rußland zu niedrig

und man konnte sie nicht gebrauchen …

 

So geht das, wenn Menschen Dinge trennen.

Es paßt hinterher nicht, und am Ende war es ganz verkehrt.

 

Aber Camburg war seitdem ein Eisenbahnknotenpunkt.

Es wurde umgespannt von Elektro auf Dampf

und später Diesel …

und nach 1990 konnte man bei uns

in jeden Zug einsteigen, der in den Westen fuhr.

 

Davon ist nicht mehr viel übrig.

 

Aber die Eisenbahn ist noch,

diese lange Strecke von München nach Berlin,

sie geht mitten durch die Stadt …

Und auf der einen Seite steht die evangelische Stadtkirche …

seit vielleicht so achthundert Jahren,

und auf den anderen die katholische …

seit genau 67 Jahren.

 

Und da feiern wir heute Gottesdienst.

 

II. Zweigleisig                   

Die Gleise dazwischen.

 

Im Grunde sind es genau zwei.

Schon von Anfang an.

Eins für die eine Richtung und eins für die andere.

Damit nichts passiert,

und damit der Verkehr reibungslos fließt.

 

Das war schon vor 149 Jahren so.

Damals hat man groß gedacht

und gemeint: Wir werden das brauchen.

Und so hat man die Saale-Eisenbahn gebaut.

War auch so. Man hat die zwei Gleise gebraucht.

Nicht so wie heute: Nur das Nötigste und immer sparen.

Zweigleisigkeit ist garnicht so schlecht.

Klar, die beiden Gleise sind für verschiedene Richtungen.

Aber sie kommen von derselben Station.

Und sie führen zur gleichen hin.

In unserem Fall: Von Berlin nach München,

jedenfalls im großen Sinn gedacht.

 

Und heute feiern wir Gottesdienst.

Auf beiden Seiten der Schienen.

Wir feiern Gottesdienst

mit evangelischen und katholischen Christen

in unserer – und ich sage ganz bewußt: Unserer –

katholischen Kirche Mariä Himmelfahrt.

 

Wir leben doch in derselben Stadt.

Wir glauben an den einen Gott.

Wir kommen von ihm und wir gehen zu ihm.

Unser Glaube ruht auf Abraham, Mose,

den Propheten und Jesus Christus.

Und wir werden uns einst verantworten,

alle gemeinsam, vor seinem Richterstuhl.

 

III. Wort (1. Kor 12,4-6)

Hört Worte des Apostels Paulus

»Es sind verschiedene Gaben; aber es ist ein Geist.

Und es sind verschiedene Ämter; aber es ist ein Herr.

Und es sind verschiedene Kräfte; aber es ist ein Gott,

der da wirkt alles in allen.

Durch einen jeden offenbart sich der Geist zum Nutzen aller

 

IV. Immerhin         

Im Moment fahren wir halt zweigleisig,

und wenn wir ehrlich sind, noch viel mehr-gleisig …

es halt sich allerhand getrennt in den Jahrhunderten,

jede Menge Konfessionen.

Da gibt’s gute Gründe dafür. Und schlechte.

Und wenn Menschen was trennen,

dann kommt meistens Mist dabei raus,

denkt an die Russen mit den Oberleitungsmasten.

Am Ende war es nie richtig; und es hat nicht gepaßt.

Aber nun ist es halt so.

 

Aber wißt Ihr was:

Unsre Gleise verlaufen ja parallel.

Nebeneinander her – und doch zusammen.

Sie kommen vom selben Ziel und führen zum gleichen.

Das ist doch schonmal gut.

Am Ende entscheidet Gott.

Und Gott sei Dank nicht wir.

Und der wird uns schon zusammenbringen.

 

V. Nicht verändern heißt Sterben

Unser Camburger Bahnhof hat sich mächtig verändert

in seinen 149 Jahren.

Das geht uns mit unseren Kirchen ja auch so.

Schaut Eure Pfarrei an …

ich verfolge das ja seit dreißig Jahren.

Damals: Pfarrgemeinde Camburg.

Heute: Eine Mega-Gemeinde mit Jena, Apolda

und was nicht allem.

Und was in unserer evangelischen Kirchenregion Camburg

in den letzten dreißig Jahren passiert ist,

das hätte ich mir nie träumen lassen, davon wißt Ihr auch.

Ich bin jetzt Pfarrer, wo vor 30 Jahren fünf waren

und vor 100 Jahren zehn.

Und ich staune:

Immernoch sind wir Gemeinde, sind wir Kirche.

Kirche im Wandel.

 

Man kann sagen:

Hilft ja nichts, wir machen das Beste daraus.

Das machen wir auch.

Aber weniger »weltlich« gesagt:

»Es wird von uns gelehrt, daß allezeit eine heilige,

christliche Kirche müsse sein und bleiben« –

das steht in einem unserer evangelischen Grundbekenntnisse,

in der Augsburger Konfession, Artikel VII.

 

Die Zeiten ändern sich – rasanter als je zuvor.

Und darum wird und muß sich Kirche ändern.

Im Vertrauen auf Gott wir das nicht nur gehen –

es wird sehr lebendig werden.

Nur eine Kirche, die allein am Alten festhält,

eine Kirche, die sich nicht ändert,

und das auch radikal:

Eine Kirche, die bleibt, wie sie ist, wird untergehen.

 

VI. Parallel und mit Weichen

Und einstweilen fahren wir mal zweigleisig.

 

Und das nicht schlimm.

Eine zweigleisige Strecke kann mehr transportieren.

Und sie ist sicherer.

 

An einem Punkt hinkt mein Vergleich natürlich.

Bei zweigleisigen Eisenbahnstrecken

geht es um den Gegenverkehr.

Nein, da paßt es nicht.

Wir sind nicht gegeneinander unterwegs.

und würde man die falsche Weiche stellen,

dann käme es zum Zusammenstoß.

Das ist nicht mein Bild, und das will Gott ja auch nicht.

 

Mein Bild ist das Parallele. Und die Weichen.

Vom gleichen Anfang zum selben Ziel.

Von Gott zu Gott.

Manchmal nebeneinander und doch irgendwie miteinander …

Wenn man so auf den Brücken steht,

dann hat das eine gewisse Ästhetik,

schaut nur mal, wie schön nebeneinander

die Schienen liegen!

 

Und Weichen gibt’s,

da kann man von einem Gleis auf’s andere.

Das machen wir zum Beispiel heute.

Heute sind wir mal in derselben Spur.

 

Und ich sag’ mal:

Gottes Geistkraft, die große Stellwerksmeisterin,

die schaut schon, daß wir gut zusammen fahren

und daß wir mal auf’s selbe Gleis kommen.

 

Vielleicht irgendwann.

Oder über ein Wunder womöglich bald.

Auf jeden Fall am Ende,

wenn unsere menschengemachten Gleise

keinerlei Rolle mehr spielen.

 

Amen.

 

Der Friede Gottes, der höher ist, als alle Vernunft,

bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. 

Amen.

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Kommentare: 1
  • #1

    Antje Zander (Samstag, 16 März 2024 16:56)

    Die Predigt hat mir sehr gut gefallen und ist so wahr.Wir brauchen noch viel Geduld .Danke. az